Keramikscherben: Wissensbringer der Archäologie
Nichts als ein Scherbenhaufen…
Wer sich entscheidet Archäologe zu werden, muss damit rechnen, dass er zahllose Stunden seines Lebens mit einem Sieb in der Hand verbringen wird. Bei jeder archäologischen Ausgrabung wird der ausgehobene Boden sorgfältig gesiebt, damit kleinere Fundstücke wie Münzen, Pfeilspitzen und Ton- oder Keramikscherben nicht übersehen werden. Aber was kann so ein Scherbenhaufen einem Altertumsforscher verraten?
Den Archäologen haben es die Tonscherben besonders angetan. Du kannst dir bestimmt denken, dass jemand, der Archäologie zu seinem Beruf macht, über eine gehörige Portion Geduld verfügen muss. Nicht nur wegen dem stundenlangen Sieben. Die Fundstücke müssen ja auch noch sortiert und im Idealfall zu vollständigen Keramikkrügen, Keramikschüsseln, Keramikdosen oder anderen Gebrauchsgegenständen zusammengesetzt werden. Wir verraten Dir hier, warum Keramikscherben so viel über vergangene Kulturen aussagen – und wie Archäologen ihre 3-D-Puzzles zusammensetzen.
Menschheitsgeschichte in Ton gebrannt
Schon die Mammutjäger in der Steinzeit hatten gelernt, dass Ton im Feuer hart wird. Die bisher ältesten Keramiken der Menschheitsgeschichte haben aber nichts mit Gebrauchsgegenständen zu tun. Die legendäre Venus von Dolní Věstonice nebst einigen Tierfiguren, die an einem Lagerfeuer von Mammutjägern in Mähren gefunden wurden, sind zwischen 25.000 und 29.000 Jahre alt. Handgemachte Keramik Figuren aus Ton gab es also schon im Paläolithikum.
Die ersten Töpfer existierten mit Sicherheit schon um die letzte Eiszeit herum. Die Archäologen Elisabetta Boaretto und Xiaohong Wu fanden in der Yuchanyan Höhle der Provinz Hunan in China Tonscherben, deren Alter auf 18.000 Jahre datiert wurde. Archäologen verbinden das Auftauchen von Keramikscherben mit dem Anfang der Sesshaftigkeit einer bestimmten Kultur. Ganz klar nachzuvollziehen: Jäger und Sammler lebten von der Hand in den Mund. Wer aber für eine Handvoll Körner hart gearbeitet hatte, wollte diese dann auch sicher in Vorratsgefäßen aufbewahren können.
Ostraka – Notizbücher des Altertums
Wir Europäer hinkten der globalen kulturellen Entwicklung am Anfang etwas hinterher. Die ältesten Funde europäischer Keramiken und Tonscherben sind nur etwa 10.000 Jahre alt. Allerdings entwickelte sich die Töpferei bei uns anschließend in einem rasanten Tempo – von einfachen Gebrauchsgegenständen bis hin zu kunstvoll dekorierten Keramikvasen, Keramikschalen oder handgemachten Tassen. Aber wo gehobelt wird, fallen auch Späne: Bei der Herstellung von Keramik gab es Fehlbrände oder Gefäße zerbrachen wegen Verunreinigungen im Material.
Bei Hochzeiten wurden aus Übermut Keramik Geschirr zerschmettert und ein paar Jahre später warf die Braut aus Eifersucht ihre schönste Vase an die Wand. Tonscherben gab es im Altertum also wie Sand am Meer. Was war da naheliegender als diese zu recyceln? Papyrus und Pergament waren teuer. Also schrieben die Schüler ihre Hausaufgaben auf Keramikscherben oder Lagerbestände wurden darauf notiert. Um etwa 480 bis 440 v. Chr. existierte sogar ein sogenanntes „Scherbengericht“, bei dem die Athener Bürger ihre Stimmen auf Tonscherben abgeben konnten, um einen Mitbürger des Landes zu verbannen.
Was verraten Tonscherben einem Altertumsforscher?
Alte Keramiken und Tongefäße verraten viel über vergangene Esskulturen. Anhand der Form von Tonbechern können Archäologen beispielsweise erkennen, ob in der jeweiligen Epoche Trinkgelage im Sitzen oder im Liegen gefeiert wurden. Wenn zum Essen hauptsächlich Schalen verwendet wurden, gehen sie davon aus, dass die Menschen der damaligen Zeit sich meistens von Suppe oder von Brei ernährten. Aber nicht nur das:
Viele Töpfer dekorierten ihre Tongefäße mit Darstellungen aus dem täglichen Leben. Da sich die Bemalung beim Brennvorgang untrennbar mit den Gefäßen verband, blieben so regelrechte Bilderbücher aus kulturell hochentwickelten Epochen erhalten. Wenn dann auch noch die Schrift mit ins Spiel kommt, wird das Ganze besonders spannend. Beschriebene Ostraka sind zum Beispiel wertvolle Zeugnisse der Entwicklung von Schrift und Sprache im alten Griechenland.
Wie rekonstruieren Archäologen zerbrochene Tongefäße?
Bei dem mühevollen 3-D-Puzzle der Archäologen werden die Tonscherben einer Ausgrabung zuerst grob nach Wandstärke, Tonbeschaffenheit und Farbe sortiert. Hinzu kommt eine Einteilung nach der Art der Oberflächenglättung und eventuellen Mustern. Die so entstandenen kleineren Scherbenhäufchen werden anschließend noch ein Mal in Wandstücke, Bodenstücke und Randstücke sortiert.
Jetzt fallen häufig schon die ersten Passstücke auf. Diese werden oft provisorisch mit Klebeband aneinander fixiert, um später endgültig verklebt zu werden. Größere Risse werden gegipst. Fehlstellen werden zumeist ebenso mit Gips ausgefüllt und vorsichtig geglättet. Bei der Rekonstruktion antiker Tongefäße sind ein gutes optisches Gedächtnis, Fingerspitzengefühl und viel Fachwissen angesagt.
Fazit – Keramikscherben
Tonscherben sind für Archäologen eine der wertvollsten Quellen zum Verständnis alter Kulturen. Aus der Form von handgemachten Schalen oder Schüsseln und aus deren organischen Anhaftungen lassen sich Rückschlüsse auf die Essgewohnheiten ihrer Benutzer ziehen. Kunstvoll bemalte antike Vasen zeigen Szenen aus dem damaligen Alltagsleben und aus der Mythologie. Oft wurden sogar berufliche oder religiöse Praktiken in Keramik verewigt.
Lehm und Ton gehören zu den ältesten Werkstoffen der Menschheit. Sie werden auch heute noch verwendet. Nicht nur in der Töpferei: Aktuell hat beispielsweise der Lehmbau einen neuen Stellenwert in der Architektur erhalten. Auch der gute alte Kachelofen feiert gerade ein Revival. Handgemachte Unikate aus Keramik sind beliebte Dekorationsobjekte und verleihen Räumen ein ganz individuelles Ambiente. In unserem Keramik Online-Shop findest du handgefertigte Töpferwaren, die in Jahrtausendealten Techniken hergestellt wurden. Schau sie dir doch gleich einmal an.